Unternehmenskultur – das klingt wie etwas sehr Abstraktes und nicht Greifbares. Was hat Kultur mit Unternehmen zu tun? Sehr viel sogar. Jedes Unternehmen hat seine eigene Kultur, seine eigenen Werte und Regeln. Diese sind nicht immer offensichtlich, manchmal sogar tief verborgen. Dennoch werden kulturelle Eigenheiten eines Unternehmens bereits in der Anfangszeit an neue Mitarbeiter weitergegeben, die in ihrer „Sozialisierungsphase“ lernen, wie man sich in bestimmten Situationen zu verhalten hat, welche Kleidung man trägt und wer neben wem in der Kantine sitzen darf.
Die Kultur eines Unternehmens bestimmt, wie mit Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern umgegangen wird, wie Mitarbeiter zusammenarbeiten und miteinander kommunizieren, welche Werte und Ziele sie verfolgen und ob man Meinungen oder gar Kritik offen äußern darf oder besser für sich behalten sollte. Fragen Sie einmal Ihre neuen Mitarbeiter, was diesen in den ersten Tagen im neuen Job aufgefallen ist. Was war ungewohnt oder gar komisch, was war besonders erfreulich? Auf diese Frage hin werden interessante Dinge zum Vorschein kommen, die den anderen Mitarbeitern nach Jahren der Betriebszugehörigkeit nicht mehr auffallen.
Wer sind wir und wenn ja, wie viele?
Die meisten Unternehmen wissen nicht, was das Besondere ihrer jeweiligen Kultur ist und ob diese positiv oder eher verbesserungswürdig ist. Hellhörig werden die meisten erst, wenn es nicht mehr „rund“ läuft. Dann werden schnell Leitbilder entwickelt und Team-Maßnahmen eingesetzt. Bislang wurde Unternehmenskultur auch eher als relevant für sogenannte weiche Faktoren betrachtet, d.h. für Mitarbeitermotivation, -bindung und Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen. Viel wird darüber geredet und geschrieben, Unternehmen formulieren Leitsätze und Führungsversprechen für ihre Broschüren und Karriereseiten.
Aber mit einer reinen Verkündungsstrategie ist es nicht getan. Eine Kultur muss kontinuierlich gepflegt werden. Inzwischen kann der Wert der Unternehmenskultur in Zahlen gemessen werden. Neuere Studien belegen, dass eine positive Unternehmenskultur bis zu 31% des bilanziellen Erfolgs eines Unternehmens ausmacht. Das sind harte Fakten.
Und noch mehr: Die Unternehmenskultur wirkt in alle Bereiche eines Betriebes: Nicht nur im HR Bereich, sondern in alle Bereiche bis zum Vertrieb. Denn auch die Kunden nehmen diese Kultur wahr und entscheiden, ob sie lieber hier oder woanders kaufen wollen. Eine gute Kultur ist der entscheidende und nicht kopierbare Vorteil, den Unternehmen im Wettbewerb um Talente, Kunden und Geschäftspartner haben.
Unternehmenskultur: KMUs vs. Großkonzernen
Einer Studie des Bundesministeriums für Arbeit zufolge wird die Kultur in kleinen und mittleren Unternehmen etwas besser erlebt als in großen Firmen. Vor allem die Integrität der Führungskräfte wird als positiver wahrgenommen. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen existieren meist persönliche Beziehungen zwischen Belegschaft und Management und die Kultur ist oftmals durch den Inhaber bzw. die Unternehmerfamilie geprägt, die Werte wie Respekt, Wertschätzung und Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern pflegen.
Kleinere Unternehmen sind noch viel stärker von einzelnen Mitarbeitern abhängig als große Konzerne, in denen die Bedeutung von unternehmensinternen Strukturen und externen Beziehungen wichtiger sind. Wie die Kultur eines Unternehmens aussieht, wird maßgeblich durch die Inhaber, Geschäftsführer und Führungskräfte beeinflusst. Sie bestimmen, für welche Werte und Umgangsformen sie stehen wollen. Ebenso gibt das Management vor, welche Verhaltensweisen im Unternehmen nicht gewünscht und folglich sanktioniert werden.
Die eigene Kultur erkennen, herausarbeiten und kommunizieren
Immer wieder ist zu hören, dass der Mittelstand unter massivem Druck steht, qualifiziertes Personal zu rekrutieren. Große Konzerne investieren intensiv in Personalmarketing und ihr Arbeitgeberimage und bieten Bewerbern neben attraktiven Gehältern und interessanten Benefits aussichtsreiche – möglicherweise internationale – Karriereperspektiven. Hier fühlen sich gerade kleine und mittlere Unternehmen schon allein aufgrund der Kosten in der schlechteren Position beim Wettbewerb um Talente.
Aber gerade KMUs haben Bewerbern vieles zu bieten – nämlich möglicherweise eine besondere Kultur, die es in keinem anderen Unternehmen so gibt: Ein Zusammengehörigkeitsgefühl, gemeinsame Werte und Ziele, sich „Wohlfühlen-Können“ am Arbeitsplatz, kurze Entscheidungswege, ein breites Aufgabenspektrum, der persönliche „Draht“ zum Chef und Freundschaft mit den Kollegen, Verständnis auch für die individuelle Situation eines jeden Mitarbeiters, der dem Unternehmen sein wichtigstes Gut zur Verfügung stellt: seine Motivation und Leistungskraft. Nicht alle Bewerber suchen die internationale Karriere im Großkonzern.
KMUs sollten sich weniger an großen Unternehmen orientieren, als gerade ihre eigene besondere Kultur herausarbeiten und nach außen kommunizieren. Die so entwickelte Arbeitgebermarke ist glaubhaft und wird auch als solche von Talenten wahrgenommen. Entscheidend ist ja, dass sich die richtigen Bewerber melden, die auch in die Unternehmenskultur passen, denn nur diese werden sich mit den Werten identifizieren und ihre volle Leistung bringen.
Dr. Katrin Roppel arbeitet als selbständige Unternehmensethnologin in München. Sie berät Organisationen zu den Themen Unternehmenskultur und kulturbewusstes Management und kann dabei auf Erfahrungen unter anderem als International Consultant in einem Beratungsunternehmen sowie als HR Projektmanagerin in einem Konzern zurückgreifen.